Neues von Liebert

Bauen für die Ewigkeit

Experteninterview über CO2-neutrales Bauen und innovative Ansätze für zukunftsfähige Immobilien

Am Hauptsitz von Becken in Hamburg mit Blick über die Alster treffen zwei Experten des Bauwesens aufeinander: die Becken Development GmbH und das Ingenieurbüro Liebert. Joachim Schmidt-Mertens, Geschäftsführer der Becken Development GmbH, Thomas Liebert, Vorsitzender der Geschäftsführung des Ingenieurbüros Liebert und Patrick Merkt, Geschäftsführer des Ingenieurbüros Liebert, sprechen über CO2-neutrales Bauen und innovative Ansätze für zukunftsfähige Immobilien.

 

Sie alle vereint das Streben nach Nachhaltigkeit und individuellen Lösungen. Worauf kommt es heutzutage bei nachhaltigen Immobilienprojektentwicklungen an?
Schmidt-Mertens: Als Projektentwickler haben wir eine Vision für wirklich nachhaltige Gebäude, die einen positiven Impact auf die Umwelt haben. Dabei ist es von großem Nutzen, dass wir sowohl den Markt als auch die Bedürfnisse der zukünftigen Nutzer gut kennen. Um zukunftsfähige Gebäude zu errichten, sind wir auf Partner angewiesen, die unsere Vision teilen, alte Gewohnheiten hinterfragen und innovative und neue Ansätze mit uns gemeinsam durchdenken. Aus Überzeugung kann ich sagen, LIEBERT ist für uns ein solcher Partner. Mit einem großen Wissensschatz und mit Ihrer Erfahrung setzen sie gemeinsam
entwickelte kreative Ideen und zukunftsorientierte Ziele in die Praxis um. Wenn auch Visionskraft und kreative Ideen allein nicht reichen, es braucht meiner Wahrnehmung nach auch einen starken Willen zur Veränderung – und den sehe ich bei LIEBERT. 
Merkt: Es ist großartig, jemanden an seiner Seite zu haben, der die Visionen mitträgt und voranbringt. Das Verständnis der Grundprinzipien ist gegeben, ambitionierte Ziele sind gesetzt - dementsprechend funktioniert auch die Umsetzung. 

 

In wenigen Worten; was zeichnet die Zusammenarbeit von Becken und LIEBERT aus?
Schmidt-Mertens: Kurz gesagt: uns verbindet unsere Innovationskraft. Dabei ist unsere langjährige Erfahrung – Becken mit mehr als 45 Jahren dynamischer Entwicklung und LIEBERT mit mehr als 25 Jahren – von unschätzbarem Vorteil. Wir können somit auf bewährte Methoden zurückgreifen und gleichzeitig mutig neue Wege gehen. Damit erweitern wir bei Becken täglich die Grenzen des Möglichen, können uns neue Horizonte erschließen, auf diesem Weg werden wir von LIEBERT gut begleitet.
Liebert: Das kann ich nur bestätigen. Ich gehe noch auf einen weiteren Aspekt ein und würde es so beschreiben: Uns vereint unsere „grüne DNA“. Für mich macht das unsere Kooperation so 
angenehm und vor allem produktiv. Unser gleiches Verständnis und das Bestreben nach einer durchaus unkonventionellen Herangehensweise lassen uns zielstrebig voranschreiten.


Was kann man sich als Konsument oder Fachfremder unter dem ökologischen Ansatz Cradle-to-Cradle vorstellen? 
Schmidt-Mertens: In der Bauwirtschaft ein wichtiges Thema. Cradle-to-Cradle (C2C) ist kein Zertifikat, sondern ein Grundprinzip, welches eine geschlossene Kreislaufwirtschaft beschreibt, bei der keine Abfallprodukte mehr entstehen. Wir haben für unsere Developments definiert, was Nachhaltigkeit bedeutet. Dabei das C2C Prinzip zu verfolgen, gehört unbedingt dazu. Noch zentraler ist für uns in diesem Zusammenhang aber die Grundidee, dass wir unsere Projekte für die Ewigkeit entwickeln. Wir haben etliche Projekte in unserem Portfolio, die heute noch genauso gut funktionieren wie vor 45 Jahren. Ausschlaggebend ist dabei die Objektlage, die Funktionalität und die Architektur. Wenn Gebäude gut entwickelt und gut geplant sind, sind sie flexibel nutz- und einsetzbar. Sie erfüllen dann die verschiedensten Anforderungen von Großnutzern mit Großraumbüros oder alternativ Einzelverzimmerung kleinerer Nutzer und Einheiten; die Flexibilität steht dabei im Vordergrund. So sind dann auch Sondernutzungsflächen wie z.B. große Kantinen genauso integrierbar wie moderne Sporträume oder das kleine Bistro. Wenn es für die Ewigkeit stehen soll, also ein Abriss nicht mehr nötig wird und damit keine Abfallprodukte mehr
anfallen sollen, müssen auch die Ressourcen sinnvoll verwendet werden. In diesem Zusammenhang kann es dann auch sein, dass Ausführungen aus dem nachhaltigen Baumaterial Holz nicht immer die nachhaltigste Lösung sind. So ist Holz empfindlich gegen Feuchte und Feuer; Deckenkonstruktionen aus Holz haben keine gute Schalldämmeigenschaften etc. Wenn das z.B. alles wieder kompensiert werden muss durch zusätzliche Maßnahmen mit nicht nachhaltigen Baustoffen, ist abzuwägen, ob nicht von Anfang an eine Alternative zum Produkt Holz verwendet werden soll.

 

Mit welchen Mehrkosten ist nachhaltiges Bauen verbunden?
Schmidt-Mertens:
Man kann heute die Mehrkosten gar nicht mehr umgehen. Im Bau mehr für die Umwelt auszugeben, rentiert sich langfristig immer. Wichtig ist, sich am Grundprinzip von Cradle-to-Cradle zu
orientieren und Materialien wegzulassen, die unnötig sind oder Rohstoffe verunreinigen, wie z.B. unnötige Additive im Beton. Der aktuelle gesellschaftliche Wandel, die Pandemie und der Ukrainekonflikt haben auch Auswirkungen auf den Markt und den Bau-Standard in Deutschland. Weit vor Beginn des Ukrainekonfliktes haben wir bereits für unsere Projekte z.B. schon festgelegt, diese energieeffizienter auszuführen
als nach dem GEG (GebäudeEnergieGesetz) gefordert: Immer mindestens im Standard Effizienzhaus bzw. -gebäude EG/ EH 55 oder besser. Zum Beginn der Ukrainekrise und der damit verbundenen Sorge um die Energieversorgung wurde von der Regierung dann das Effizienzhaus/-gebäude EG 55 als Standard postuliert. Wir geben uns für unsere Projektentwicklungen,egal ob Neubau oder Refurbishment, mittlerweile das Ziel vor, diese im Energieeffizienzstandard EG/EH 40 auszuführen: Objekte werden mehrere Jahre geplant und anschließend Jahrzehnte genutzt. Wir denken lieber zwei Schritte voraus.

 

Wie sieht der zukünftige Weg in der Bauwirtschaft aus und was sind weitere Trends?
Schmidt-Mertens: Hotspots der Arbeitswelt bleiben aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin die Innenstädte, dort wo der Raum für Neubauten begrenzt ist. In Hamburg beispielsweise kommen auf zehn Neubauprojekte ungefähr 10.000 Bestandsimmobilien. Der Schwerpunkt sollte sich dementsprechend hin zur Sanierung des Bestands verlagern. Diese ist vor allem unter dem Gesichtspunkt der sogenannten gespeicherten Grauen Energie zielführend, da ein Großteil der Umweltbelastungen wie Treibhausgase, Ausdünnung der Ozonschicht, Versauerung etc. aus der Errichtungs- und Rückbauphase resultiert. Der Aspekt der Grauen Energie muss sich meiner Meinung nach unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten weiter etablieren. Denn bislang wird die Nachhaltigkeitsdiskussion vor allem auf Basis des laufenden
Immobilienbetriebs geführt und nicht auf die Belastungen aus der Bau- bzw. Rückbauphase ausgedehnt. Zukünftig wird auch Photovoltaik ausgebaut werden und mehr Verwendung unter anderem integriert in Fassadenelementen oder in Fenstern finden. So können beispielsweise größere Flächen für die Aufnahme von Solarenergie bereitgestellt werden. Wenn PV-Anlagen nicht mehr ausschließlich auf dem Dach installiert sind, können Dächer beispielsweise den Nutzern und der Umwelt mit begrünten Dachgärten einen weiteren Mehrwert bieten. Das ist keine Neuheit oder Innovation aber es muss endlich flächendeckend zur Anwendung kommen, dann werden solche Maßnahmen einen entsprechenden Impact haben. Und das Thema Infrastruktur ist darüber hinaus ein weiteres wichtiges Thema – dies hier zu erörtern würde aber wahrscheinlich den Umfang unseres Interviews sprengen (lacht). 
Liebert: Es gibt noch viel ungenutztes Potential im Bereich der Ressourcenschonung und autarker Gebäude. Es wird zukünftig verstärkt im Bestand aufgestockt und umgebaut werden. Vieles wird durch den Generationswechsel und die Pandemieauswirkungen in der Arbeitswelt umstrukturiert werden, was neue Anforderungen an Büro- und Wohngebäude stellt. Um dem Raummangel in den Stadtgebieten entgegenzuwirken, können Straßenüberbauungen etabliert werden. Wir sind aktuell an der Entwicklung einer Wohnbebauung als Brückengebäude über Autobahnen beteiligt, die weltweit skalierbar sein wird. Da diese Wohnbebauung, unabhängig von der öffentlichen Versorgung, weltweit und an jedem Ort realisiert werden soll, entwickelten wir ein visionäres Konzept. Dieses ermöglicht eine vollständig autarke Versorgung ohne Energien und Medien von außen. Das ist machbar und das ist Zukunft. Wir engagieren uns seit 25 Jahren für nachhaltige Gebäude und setzen diese aktiv um. Unser Anspruch ist es, energie-, CO₂- und klimapositive Gebäude zu schaffen. 


Ist nachhaltiges Bauen noch eine Nische oder schon Standard?
Schmidt-Mertens: Die Branche hat sich bereits dahingehend entwickelt, dass inzwischen selbst die Banken im Rahmen einer Finanzierung überprüfen, ob nachhaltig geplant und gebaut wird. Dennoch müssen wir stellenweise hohe Investitionssummen, Energie und Arbeit einbringen, um die eigenen Visionen voranzutreiben. Dabei müssen wir viel mehr Zeit in die Forschung und in Innovationen investieren, um passgenaue Lösungen zu finden.

Was würden Sie aus Ihrer beruflichen Erfahrung der letzten Jahrzehnte als Rat oder Empfehlung formulieren?
Liebert: Du musst das erreichen, was bisher noch kein anderer erreicht hat. Du musst mutig sein, groß und weiterdenken. Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein – das ist meine Philosophie.
Merkt: Es hilft nicht Spezialist zu sein und auf einen Teil zu schauen; man muss immer das große Ganze sehen. Man sollte nicht in Problemen, sondern in Lösungen denken. Es ist wichtig,
Zusammenhänge zu verstehen und neuen Input aufzunehmen. Diese Neugierde und Offenheit sollte man sich erhalten.
Schmidt-Mertens: Das Erste ist: Bauen lernen. Damit ist die Grundlage vorhanden, um mit den Fachplanern mitreden zu können. Bauen ist keine Raketenphysik, sondern ein Handwerk. Das Zweite: Im Bereich Nachhaltigkeit immer zwei Schritte voraus zu sein: Projekte laufen über einen langen Zeitraum: Was während der Planung einen Schritt weiter ist, hängt beim Abschluss schon wieder einen Schritt zurück. Wichtig ist, dass man Treiber von Veränderungen und Innovationen rechtzeitig erkennt, diese für sich nutzt und so immer mehrere Schritte voraus ist.